Zwischen Kunstwerk und Religion: Johanna Soller, findet für die Johannespassion die richtige Stimmung
(...) Aber über die historische Stimmigkeit hinaus glückte der Dirigentin auch eine interpretatorisch schlüssige Aufführung, weil es ihr gelang, die theologische (und musikalische) Stimmung dieses Werks zu treffen, das bereits im Eingangschor mit dem dreimaligen Ausruf "Herr!" die Göttlichkeit Jesu hervorhebt. Wie schon in ihrer Matthäuspassion vor drei Jahren in St. Peter arbeitete die Dirigentin auch hier in den großen Chören mit einer dramatisch-lebendigen, in der historischen Aufführungspraxis normalerweise etwas unterbelichteten Dynamik. "Ruht wohl", den vorletzten Chor, ließ sie sehr verhalten singen, um dann den Schlusschoral fast triumphal zu steigern und den Tod Jesu in einen Sieg umzudeuten.
Abendzeitung | 29.03.2022 München Allerheiligen-Hofkirche
Musik ohne Alter
Eine Kostbarkeit der Alten Musik gab es am Samstag in der voll besetzten Aula maior zu erleben.(...) Cembalistin Johanna Soller (...) dirigiert ihr Ensemble dezent, aber bestimmt. (...) Ihr Können stellt Soller immer wieder unter Beweis, besonders in ihrem ausgedehnten Solo in Bachs Cembalo-Konzert in E-Dur (BWV 1053). Als Meisterin ihres Fachs bewältigt sie bravourös alle Läufe bis in die kleinsten Tonspitzen und lässt das Gesamtkunstwerk heiter und fröhlich erscheinen. Ihr Ensemble unterstützt sie dabei tatkräftig mit dichten (aber duftig gespielten) Harmonien, bis hin zu klagenden Dissonanz-Klangteppichen. Es ist ein perfekt-präzises Zusammenspiel, bei dem die Spielfreude der Musiker mitreißt, und das die vor 300 Jahren komponierten Werke durch die frische und erfrischende Interpretation der capella sollertia zeitlos erscheinen lässt (...) Klangschön und in der – für die Tradition der Alten Musik typischen – geraden Tongebung, verkörpert Flore Van Meerssche die verstoßene Armida. Aus dem Nichts heraus berührt sie sofort mit ihren sanft-klagenden Höhentönen im Pianissimo des „Per te mi struggo, infido“. Das Accompagnato „O voi, dell’incostante e procelloso mare orridi mostri“ klingt wie ein Seelenritt mit emotionalen Ausbrüchen, sodass dem Cellisten vor lauter Spieleifer die Notenblätter vom Pult fliegen. Alle Koloraturen klingen wie ein musikalisches Feuerwerk.
(...)
Ein Hörgenuss vom Feinsten!
Passauer Neue Presse | 05.10.2021 Kloster Raitenhaslach "in gusto italiano"
Glauben im Klang
Mit berauschender Kraft tönte bereits die Sinfonia der 49. Kantate zum Auftakt des Programms. Johanna Soller dirigierte die capella sollertia von der Truhenorgel aus und wählte auch in der Folge kluge, ausgewogene Tempi. Sopranistin Anna-Lena Elbert und Bass Sebastian Myrus sangen die Arien und Rezitative subtil, aber klangvoll schön. Für die Choräle erweiterte Soller ihr Solistenduo lediglich zum Solistenquartett - im kleinen Kirchenraum die richtige Entscheidung, vor allem wenn das Ergebnis so wunderbar ausbalanciert wie hier ist. Und spätestens wenn Saskia Fikentscher mit der Barockoboe in ausgesungenen Linien in der Arie "Liebster Jesu, mein Verlangen" in Dialog mit Elbert tritt, war das klagend schön und betörend verführerisch zugleich.
Süddeutsche Zeitung | 13.01.2020 München "Cantate um 1715"